Von der Auszubildenden zur Leiterin der Lehrwerkstatt
Eine Frau startet durch
Seit September 2015 ist Alexandra Steinwachs, 29, Leiterin der Lehrwerkstatt und der Überbetrieblichen Ausbildung der Landesinnung Niedersachsen des Gebäudereiniger-Handwerks in Hannover. Die Landesinnung sprach mit Frau Steinwachs über ihre Karriere in der Gebäudedienstleistungsbranche.
Landesinnung: Frau Steinwachs, wie kamen Sie zum Gebäudereiniger-Handwerk?
Alexandra Steinwachs: Ursprünglich hatte ich einen recht ungewöhnlichen Berufswunsch: Ich wollte Bestatterin werden. Zu der Zeit, als ich nach einer Lehrstelle suchte, gab es jedoch in dieser Branche keinerlei Angebote. Empfehlenswert:
Praktika
Und so absolvierte ich nach meinem Realschulabschluss zunächst mehrere Praktika, z.B. im Einzelhandel und im Büro. Das war für mich sehr lehrreich, und ich würde jedem jungen Menschen empfehlen, vor dem Eintritt ins Berufsleben erst einmal einige Praktika zu machen, um einen ersten Eindruck von der Arbeitswelt zu bekommen.
Am besten gefiel mir das Praktikum bei dem Gebäudedienstleistungsunternehmen und Innungsbetrieb Deutsche R + S Dienstleistungen GmbH & Co.KG. Die körperliche Betätigung, der Umgang mit Menschen, die Bezahlung, die Aufstiegschancen; ich merkte schnell: DAS ist meins! Und wenn man den Arbeitsbereich "Tatortreinigung" betrachtet, war es vielleicht auch der "Plan B" zum Bestattungswesen.
Sehr verständnisvoll und flexibel zeigte man sich bei der Deutschen R + S auch angesichts meiner Situation als junger Mutter, und so vereinbarten wir nach einer einjährigen Vorbereitung 2009 einen Ausbildungsvertrag mit 30 statt 35 Wochenstunden.
Landesinnung: Waren Sie mit dem Verlauf Ihrer Ausbildung zufrieden?
Alexandra Steinwachs: Meine Erwartungen wurden in jeder Hinsicht übertroffen. Aus diesem Grund war es für mich auch 2012, als ich meinen Gesellenbrief in Händen hielt, völlig klar, dass ich mich weiterentwickeln und Verantwortung übernehmen wollte. Ich wollte Meisterin in diesem Handwerk werden.
Landesinnung: Wie verlief Ihre Meisterausbildung?
Alexandra Steinwachs: Zunächst einmal zeigte sich, dass man manchmal auch für seine Ziele kämpfen muss. Durch Beharrlichkeit
zum Erfolg
Die Meisterausbildung kostet ja Geld und von irgendetwas mussten meine Tochter und ich ja während dieser Zeit auch leben. Im Rahmen der Begabtenförderung wurde von der Handwerkskammer für Gesellinnen und Gesellen mit gutem Notendurchschnitt ein Meisterstipendium angeboten. Leider gab es das aber nur bis zu einem Alter von 25 Jahren, und so wurde mein Antrag zunächst abgelehnt.
Ich holte dann von vielen Seiten Informationen ein, telefonierte, wie man so schön sagt "von Pontius zu Pilatus", und erfuhr dann bei der Handwerkskammer in Hamburg, dass es möglich sei, sein Kind bzw. seine Elternzeit auf das Höchstalter anrechnen zu lassen. Mit dieser Information setzte ich mich dann in das entsprechende Büro in der Handwerkskammer Hannover und ließ keinen Zweifel daran, dass ich erst wieder gehen würde, wenn mein Antrag bewilligt sei – was dann auch geschah.
Und so startete ich 2012 den Meisterprüfungsvorbereitungslehrgang (MPVL) beim Bildungswerk Niedersachsen der Gebäudereiniger e.V. (BWNG), den ich im Sommer 2014 erfolgreich mit dem Meistertitel abschloss. Genau an meinem 27. Geburtstag hielt ich meinen Meisterbrief in den Händen.
Landesinnung: Mussten Sie lange nach einer Stelle als Meisterin suchen?
Zu den Besten gehören heißt,
von den Besten zu lernen.
Alexandra Steinwachs: Überhaupt nicht. Ich konnte als frisch gebackene Meisterin "nahtlos" beim Innungsbetrieb Wolfgang Breitner Gebäudereinigung anfangen. Hier traf ich auch wieder auf Herrn Lange, den ich bereits seit meiner Ausbildung kannte, und bei dem ich im Laufe der Jahre viel gelernt habe. Er ist für mich zum Vorbild geworden. Bei ihm lernte ich auch, dass der Meisterbrief "an der Wand" zwar schön und wichtig ist, dass es aber ohne lebenslanges Lernen nicht geht.
So absolvierte ich z.B. parallel zu meiner Berufstätigkeit die Weiterbildungen zur "Ausbildungsmeisterin" und zur "Tatort- und Leichenfundort-Reinigerin".
Der Umgang mit Auszubildenden machte mir immer schon besonders viel Spaß, und so bewarb ich mich Mitte 2015 als Leiterin der Überbetrieblichen Ausbildung, was ja dann auch geklappt hat.
Landesinnung: Worum geht es bei der Überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA)?
Alexandra Steinwachs: Sie ist Teil der Gesellenausbildung und Voraussetzung für die Gesellenprüfung. In jedem Ausbildungsjahr nimmt jede bzw. jeder Auszubildende für 2 Wochen daran teil. Es wird z.B. nach den Vorgaben der Bau-Berufsgenossenschaft Arbeitssicherheit und 1. Hilfe unterrichtet. Auch werden Themen gelehrt, die in der betrieblichen Ausbildung oftmals nicht vorkommen, wie etwa Tatortreinigung oder auch Schädlingsbekämpfung.
Ein Kurs besteht aus maximal 12 Schülerinnen und Schülern. Da diese in der Zeit der ÜBA nicht nebenher noch arbeiten müssen, kann die Betreuung individueller und intensiver sein als im Lehrbetrieb.
Landesinnung: Welche Aufgaben haben Sie außer der ÜBA?
Alexandra Steinwachs: Ich gebe diverse Seminare beim BWNG. So unterrichte ich z.B. im Rahmen des Gesellenprüfungsvorbereitungskurses (GPVL). Dieser richtet sich an Arbeitnehmer, die keine Ausbildung im engeren Sinne absolviert haben, aber bereits seit mindestens 4,5 Jahren in Vollzeit als ungelernte Kraft in einem Gebäudereinigungsbetrieb arbeiten.
Landesinnung: Haben Sie so etwas wie ein Lebensmotto?
Mit einem Lächeln
zur Arbeit gehen
Alexandra Steinwachs: Ich versuche, jeden Morgen mit einem Lächeln aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Meine Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Wenn sie mir keinen Spaß machen würde, dann wäre das für mich nicht in Ordnung, und ich würde etwas ändern. Diese Sichtweise und dieses Lächeln versuche ich, auch an meine Schülerinnen und Schüler weiterzugeben.
Landesinnung: Vielen Dank, Frau Steinwachs.
Foto-Impressionen von der Ausbildungsmaßnahme "Tatortreinigung" am 31.05.2016
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