Sonderausstellung Museum Industriekultur Osnabrück

Ausstellungseröffnung in Osnabrück

Beruf als Kulturgeschichte - Gebäudereiniger

„Die Putzfrau! Vom Dienstmädchen zur Raumpflegerin“ – so lautet der Titel einer Sonderausstellung über die Sozialgeschichte eines Dienstleistungsberufs, die seit dem 15. Mai im Museum Industriekultur in Osnabrück zu sehen ist.

Der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks traf sich in diesem Jahr zur Tagung in der Friedensstadt und die Delegierten besuchten die Ausstellung im Magazingebäude eines ehemaligen Steinkohlebergwerkes. In seiner Rede würdigte Museumsdirektor Rolf Spilker das große Engagement des Handwerks bei der Zusammenstellung der Schau: Nur mit der Unterstützung von Ellinore Piepenbrock-Führer, LIM des Landesinnungsverbandes Nord-West, und weiteren Unternehmern sowie Zulieferfirmen der Branche konnte sein Museum diese Sonderausstellung umsetzen.

Beruf mit eigenem Profil

 

Boris Pistorius, Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück, in seinem Grußwort: „Ist eine Ausstellung zum Thema Putzfrau ungewöhnlich? Eigentlich nicht! Es handelt sich hierbei um eine Arbeit, die täglich millionenfach erledigt wird und elementarer Bestandteil unseres Alltags ist. Und angesichts der ständig wachsenden Hygieneanforderungen kommt dieser Tätigkeit eine Bedeutung zu, die gar nicht hoch genug einzuschätzen ist. Es lohnt sich also einen Blick auf die Arbeit derjenigen Kräfte zu werfen, die unser Umfeld rein halten.“ Und Peter Voss, Vizepräsident der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland, fügte hinzu: „Was wären wir ohne das Gebäudereiniger-Handwerk? Ich meine die Reinigungsspezialisten, die zu jeder Tages- und Nachtzeit für Sauberkeit sorgen?“ Ein Beruf also mit eigenem Profil. Allerdings auch da sind sich Pistorius und Voss einig: In der Öffentlichkeit ist zu wenig bekannt, dass es sich hierbei um ein Handwerk und einen Ausbildungsberuf handelt.

Ein „TOP 10“-Betrieb aus Osnabrück

 

Bundesinnungsmeister Dieter Kuhnert betonte in seinen Grußworten: „Auch wenn uns die Ausstellung die historischen Wurzeln des Gebäudereiniger-Handwerks sehr eindrucksvoll anhand der technischen Entwicklung vor Augen führt, hat sich die Branche doch weit darüber hinaus entwickelt und gehört heute zu den erfolgreichsten Gewerken im Gebäude- und Facility-Management. Allein die Hälfte der „TOP 10“-Betriebe im Facility-Management hat ihre Ursprünge in der Gebäudereinigung. Eines der erfolgreichsten Unternehmen mit über 25.000 Beschäftigten stammt sogar aus Osnabrück.“ Kuhnert zählte die vielen Einsatzbereiche auf, in denen heute das moderne Dienstleistungshandwerk tätig ist.

Produkt ist Sauberkeit

 

Eine berechtigte Klage: „Leider wird die Tätigkeit der gewerblichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gebäudereinigung, die wir längst nicht mehr als Putzfrauen bezeichnen – sondern als Raumpfleger und Raumpflegerinnen – meist im Verborgenen erbracht. Dafür gibt es allerdings keinen vernüftigen Grund. Denn was die Beschäftigten der Gebäudereinigungsunternehmen leisten, ist allemal sehenswert. Sie produzieren Sauberkeit und Wohlgefühl. Beides wird von unseren Auftraggebern dankend in Anspruch genommen“, unterstrich Ellinore Piepenbrock-Führer in ihrem Grußwort. Und – passend zum Schauplatz der Ausstellung: „Der Beruf des Bergarbeiters gilt als harte, körperliche Arbeit, die mit viel Schmutz verbunden ist. Den Kumpel umgibt ein besonderer Mythos.“ Dagegen habe der Beruf des Gebäudereinigers kein ähnlich positives Außenbild entwickelt. Daher sei es ein wichtiges Ziel, diesem Beruf jenen Stellenwert zu geben, den er verdiene.

Historische Ausstellungsstücke

 

Für Museumschef Rolf Spilker bedeutet die Darstellung des Sonderausstellungsthemas zunächst eine Reise in die Vergangenheit: Längst standen sie in dunklen Ecken auf Dachböden oder in Kellernischen. Sie waren vergessen – doch heute stehen neben Waschzuber, Wäschepresse und Teppichklopfern noch viele andere historische Haushaltsgeräte in seiner Ausstellung. Auf sogenannten Themeninseln sind vom Handsauger bis hin zum Reinigungsroboter künstlerisch mehrere Tätigkeitsfelder der sogenannten „Putzfrau“ ausgestellt. Es gibt eine Installation mit gestapelten Toilettenbecken, dazwischen wird ein Video über die WC-Reinigung gezeigt. Phantasien für die Zukunft werden erzeugt: Flotte Schaufensterpuppen in schicker, futuristischer Arbeitskleidung an computergesteuerten Reinigungsplänen. Was für Museumsdirektor Rolf Spilker das „Dirty little secret – die illegale Reinigung in privaten Haushalten“ ist, kann in einem verdunkelten Labyrint zum Thema „Schattenwirtschaft“ erfahren werden.

Soziale Verantwortung

 

Mit einem eigenen Ausstellungsbeitrag bezieht der Berufsverband klar Position gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung im Gebäudereiniger-Handwerk: „Illegal ist unsozial“. Damit distanziere sich das Gebäudereiniger-Handwerk ganz „sauber“ von der „Schattenwirtschaft“ – so Burkhard Räcker, Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes Nord-West. Auch Bundesinnungsmeister Dieter Kuhnert stellte in seiner Rede klar: „Seit mehr als 30 Jahren haben wir in unserer Branche allgemeinverbindliche Tarifverträge, deren Löhne beispielsweise im obersten Bereich der Entlohnung ungelernter Tätigkeiten angesiedelt sind.“ Und weiter: „Im vergangenen Jahr konnten wir mit der Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz einen weiteren Baustein realisieren, untertarifliche Bezahlung besser verfolgen zu können, und die Verbindlichkeit unserer Tarifverträge weiter zu festigen. Alles, um Wettbewerb auf dem Rücken der Reinigungskräfte zu verhindern.“ Deutlich formulierte er: „Der Bundesinnungsverband und die in ihm organisierten Betriebe nehmen ihre soziale Verantwortung ernst!“

Paul Putzig erklärt modernen Ausbildungsberuf

 

Da vorwiegend Schulkinder aus dem Primarbereich diese Ausstellung in den nächsten fünf Monaten besuchen, hat sich der Landesinnungsverband Nord-West des Gebäudereiniger-Handwerks für seinen Beitrag etwas Besonderes einfallen lassen: die sympathische Figur des Gebäudereinigers Paul Putzig - gezeichnet vom Cartoonisten Michael Fredrich - erklärt den modernen Ausbildungsberuf. „Wir möchten den Kindern unser Handwerk auf interessante Weise nahe bringen“, erklärte Ellinore Piepenbrock-Führer. So wird „Paul Putzig“ sogar in einem Film lebendig. Gespielt vom Comedian Pedro Prüser gibt Gebäudereiniger Putzig den Besuchern erste Informationen zum Handwerk. Er unterstützt die Aussagen der Lehrlingswartin der Landesinnung Bremen und Nord/West Niedersachsen, Susanne Selbrede, die in einer Überbetrieblichen Ausbildung im Osnabrücker Dom St. Petrus mit acht Azubis den Hochaltar und viele andere Bereiche in der schönen Kathedrale zum Glänzen brachte – kurz vor der Ausstellungseröffnung und passend zum 97. Deutschen Katholikentag. Dass auch solche Arbeiten nur im Team geleistet werden können, wird im Museum an einer Wand innerhalb des Ausstellungsraumes des Handwerks deutlich: Eine Gruppe von Gebäudereinigerinnen und Gebäudereinigern sowie Reinigungskräften traf sich im Vorfeld der Ausstellung mit Paul Putzig vor dem historischen Rathaus in Osnabrück zum Gruppenfoto. „Hallo Putzengel! Wo ich arbeite, kennen sie mich!“ – so beispielsweise eine Aussage auf diesem Gruppenbild. Eine Gruppe stolzer und fleißiger Osnabrücker Handwerker.

Handwerk mit langer Tradition

 

Das Handwerk blickt auf eine eigene Historie zurück. Das belegt ein weiteres Exponat: Vor 135 Jahren wurde das Unternehmen A. Ebrecht-Reker gegründet. „Es war das erste Fensterreinigungsinstitut in Osnabrück“, erklärt Urenkel Dirk Reker. „Neue Visionen, gestützt auf alte Traditionen, bilden bis heute die Grundlagen des wirtschaftlichen Erfolges unseres Familienunternehmens.“ Diese Firmenphilospohie prägt bis heute die Aus- und Weiterbildung junger Menschen im Unternehmen.

Hier finden Sie ein Video zum Thema „Ausbildungsberuf Gebäudereiniger“.

Mehr Informationen über die Ausstellung und das Museum Industriekultur in Osnabrück: www.industriekultur-museumos.de

Bildq01 Dankeschön an OB Boris Pistorius von LIM Ellinore Piepenbrock-Führer (2. v. li.): Einwäscher, Abzieher und Eimer. Gerätschaften, mit denen das Stadtoberhaupt umgehen kann: „Ich habe während meiner Studienzeit bei einem Gebäudereiniger Geld dazu verdient.“ Von links: Museumsdirektor Rolf Spilker, Ellinore Piepenbrock-Führer, Vizepräsident der Handwerkskammer Osnabrück- Emsland Peter Voss, Oberbürgermeister der Friedensstadt Osnabrück Boris Pistorius, Pedro Prüser, alias Gebäudereiniger Paul Putzig, und Bundesinnungsmeister Dieter Kuhnert (re.).

 

Handwerk mit langer Tradition. Ewald Reker (re.) und sein Sohn Dirk Reker in der Sonderausstellung. Der Urgroßvater des jetzigen Firmeninhabers, August Ebrecht sen., gründete vor 135 Jahren das erste Osnabrücker Fensterreinigungsinstitut. Mit großer Unterstützung von Dirk Reker wurde der LIV-Ausstellungsraum zu einem echten „Hingucker“. Bildh01

 

Bildh02 Lehrlingswartin der Landesinnung Bremen und Nord-West Niedersachsen und „unser Freund, der Gebäudereiniger Paul Putzig“, in Person. Im Ausstellungsfilm haben beide eine wichtige Rolle: Sie vermitteln Schülern auf ansprechende Weise den Ausbildungsberuf des Gebäudereingers.

 

Von rechts: Gebäudereiniger Paul Putzig, gespielt von Comedian Pedro Prüser, und Peter Hartmann, Chefredakteur von „rationell reinigen“. Bildq02

 

Bildq03 LIM Mike Schneider nutzt die große Bank mit dem Branchenlogo, um sich den Ausbildungsfilm anzuschauen.

 

[Text & Fotos: Ira Thorsting]

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